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Kristalltuff

Frieder Jentsch
Rätsel um den Kristalltuff - Werkstein der Besiedelung
Ein Diskussionsangebot zur Geschichte seiner Verwendung und zur Genese des Gesteins
Auf der Suche nach Werksteinen, die bereits in der Romanik im Erzgebirge und dessen Vorland Verwendung fanden, stößt man auf einen vulkanischen Tuff, der als sogenannter Kristalltuff in das geologische und historische Schrifttum eingegangen ist und eine spezielle Ausbildung der in und um Chemnitz vorkommenden rhyolithischen Tuffe und deren Varietäten darstellt. Nach heute aktueller stratigrafischer Einordnung ist der Kristalltuff als nicht durchgängiger Horizont innerhalb des von Frank Fischer genannten Grünatuffs des Rotliegend zu sehen.
Den Gesteinsnamen prägte Theodor Siegert, der bei der geologischen Landesuntersuchung Sachsens das Erzgebirgische Becken auf dem Blatt Chemnitz  kartierte. Gerald Urban erkannte, dass dieses Material bereits in romanischen Bauten als Werkstein für Gewände verwendet wurde und lieferte Beispiele von noch erhaltenen Bauwerken in Chemnitz,  Zschopau  und Ottendorf.  Hinzu kamen Nachweise in Röhrsdorf und Glösa aus dem Chemnitzer Stadtgebiet hinzu. Selbst in dem erhaltenen Teil der Kirche des ehemaligen Dominikanerklosters Remse wurde Kristalltuff zu Kämpfersteinen verarbeitet gefunden.  Die Sammlungen des Schlossbergmuseums Chemnitz bewahren zudem weitere Belege des Kristalltuffs von nicht mehr vorhandenen Chemnitzer Kirchenbauten.
Für das werksteinarme Erzgebirge und dessen Vorland standen bis zur Errichtung des Eisenbahnnetzes an gut behaubarem Werksteinmaterial fast ausschließlich nur die Tuffe aus Chemnitz und des näheren Stadtumfeldes Verfügung. Geologisch beschränken sich die Vorkommen auf die Planitzer Schichten im Unterrotliegend des Erzgebirgischen Beckens mit den traditionell als untere Tuffe bezeichneten Gesteinen,  in denen auch der Kristalltuff vorkommt, und auf die Leukersdorfer Schichten mit dem oberen Tuff des Zeisigwaldes und seinen weiteren Vorkommen vom Kapellenberg und vom Schloßberg. Alle diese Tuffe besitzen rhyolithische Zusammensetzung. Der über dem Grünatuff liegende Quarzporphyr mit teils glasiger Ausbildung hat rhyodazitischen Chemismus.
Aus dieser Rohstoffsituation ergab sich für die Stadt Chemnitz als Lieferant von Werkstein ein Alleinstellungsmerkmal für die Region, das seit dem Mittelalter bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Bestand hatte, bis der massenhafte Transport von Bausteinen auf dem Schienenwege möglich war. So kann in groben Zügen auch eine zeitliche Aufeinanderfolge der Tuffgewinnung nachvollzogen werden, indem in der Romanik der Kristalltuff, in der Gotik der Tuff des Kapellenberges und in der Renaissance bis zur Einstellung der Tuffsteingewinnung der Zeisigwaldtuff Verwendung fanden. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sich in Gablenz ein Kristalltuffvorkommen befand, das im 18. Jahrhundert lokal begrenzte Bedeutung als Werksteinquelle erlangte.
Das Rätsel, das sich mit dem Kristalltuff als Baugestein verbindet, betrifft seine nach wie vor nicht eindeutig nachweisbaren Gewinnungsstätten für die frühen Bauten. Die Suche nach geeigneten Partien im Grünatuff, die auch petrographisch dem verbauten Kristalltuff zugeordnet werden können, blieb bisher wenig erfolgreich. Die Ausstriche dieser Schichtenfolge sind an verschiedenen Stellen durch Bautätigkeit freigelegt worden, jedoch kam ein für Baugestein verwendbares Material kaum zutage, eher nur wenig verfestigte, sandig-tonige, gut geschichtete Massen.
Bisherige Erkenntnisse
Wegen der Beckenstruktur umschließt die Ausstrichzone der großenteils durch pleistozäne Bildungen überdeckten Planitzer Schichten den Kernbereich der Stadt Chemnitz hufeisenförmig. Sie zieht sich von den Ortsteilen Bernsdorf über Gablenz, Hilbersdorf, Ebersdorf nach Furth in das Chemnitztal, und weiter durch den Küchwald nach Altendorf und Rottluff. Kristalltuff ist zwar in neueren Aufschlüssen gesichtet worden, zutage kam aber fast ausschließlich für Baugestein ungeeignetes, d.h. wenig verfestigtes oder kleinstückiges Material. Von keinem der bekannt gewordenen Aufschlüsse ist der Kristalltuff in ausreichend gewinnbarer Menge und in Werksteinqualität beobachtet worden, so dass bisher keine eindeutige Zuordnung des in der Romanik verbauten Materials möglich ist. Dennoch ist nicht ausgeschlossen und zu wünschen, dass zukünftige Aufschlüsse im Bereich der Planitzer Schichten zu neuen Erkenntnissen führen.
Dass sich der Steinbruch des an der Klosterkirche St. Marien und der Stadtkirche St. Jacobi verbauten Kristalltuffs am Südostflügel des Ausstriches, und zwar an der Zschopauer Straße in Höhe Melanchthonstraße befand, ist derzeitiger Kenntnisstand. Hier ist auch auf dem Trenkmannschen Riss von 1761 ein Steinbruch verzeichnet, in dem sowohl der Kristalltuff als auch der Quarzporphyr angetroffen worden sein dürfte. Gerald Urban konnte in diesem Gebiet den Kristalltuff in einem temporären Aufschluss zwar substanziell, aber nicht in abbauwürdiger Qualität beobachten.
Weiter östlich in Gablenz wurde der untere Tuff (Grünatuff) noch im 19. Jahrhundert teils als Baugestein gewonnen. An wenigen Bauwerken ist er im Ortsbild noch nachweisbar. Lockere Gesteinsbereiche des Grünatuffs kamen als Bausand zum Einsatz. Der Sandgrubenweg erinnert noch daran. Neuerliche Aufschlüsse lieferten Kenntnisse über die vulkanoklastische Entwicklung in diesem Bereich. Kristalltuff in Werksteinqualität wurde in diesen Aufschlüssen nicht angetroffen, dagegen zu Jaspis silifizierte und vergrünte Bereiche, darunter auch sedimentäre Gangbildungen (Dykes).
Im Chemnitzer Nordwesten sind die Planitzer Schichten wegen ihrer flachen Lagerung und meist unter verschiedenmächtiger pleistozäner Überdeckung großflächig anzutreffen. Bei der Begradigung der Bergkuppe an der B 169 in Höhe der Ebersdorfer Stiftskirche wurde Grünatuff aufgeschlossen. Auch hier war keine Werksteinqualität festzustellen, lediglich kleinstückiges Material und wie in Gablenz vergrünte und silifizierte Bereiche feinkörniger Aschentuffe vom Typ Bandjaspis. Auch sedimentäre Dykes konnten beobachtet werden.
An der Stiftskirche Ebersdorf, deren Wehrtürmen, teils an den Portalen, dem Sühnekreuz und in der Ummauerung, zum Teil auch in der Wehrmauer wurde gröber körniger Tuff vom Typ Kristalltuff als Hauptbaustein verarbeitet. Sein Vorkommen dürfte in der Nähe des Anwesens zu suchen sein, möglicherweise ist der Steinbruch an dem widernatürlich steil abfallenden Abhang hinter dem Friedhof zu suchen.
Mögliche Abbaustellen könnten auch an Prallhängen des Chemnitztales gelegen haben, wo geeignete Anschnitte des Tuffes zu erwarten waren. In der Tat finden sich zwar Abbauspuren in der nördlich vom Ausstrich nahe der Glösaer Straße gelegenen Fuchsdelle, die aber in rotliegenden Sandsteinen und Konglomeraten angelegt sind. Das dort gewonnene Material dürfte wohl in früher Zeit zur Sicherung der Chemnitz und Anstauung der Fischteiche im Blankenauer Grund gedient haben. Bereits Hermann Credner bemerkte, dass die Tuffschichten anstehend schon nicht mehr wahrnehmbar waren.  Dass aber der Kristalltuff am Wege von der nahegelegenen Judokus-Kirche zur ehemaligen Blankenburg als Wegebefestigung und in der Wehrmauer der Kirche verbaut gefunden wurde, lässt allerdings eine hier nahegelegene Gewinnungsstätte vermuten.
An der Südseite des Chemnitztales liegt im Tuffausstrich die Sechserschlucht des Küchwaldes, deren widernatürliche Morphologie an eine ehemalige Steingewinnungsstätte erinnert, jedoch konkrete Belege auf hier anstehenden Kristalltuff fehlen bisher.
Im Verfolg des Ausstriches der Planitzer Schichten nach Westen sind der Trinkwasser-Hochbehälter an der Leipziger Straße und das Haus 27 des Klinikums Küchwald   gebaut. Am Hochbehälter wurde der Quarzporphyr mit Quarzmineralisation auf Klüften und Spalten angetroffen, am Haus des Klinikums die darunter lagernden Tuffgesteine des Grünatuffs. In einer schichtparallel eingelagerten mehr als einen Meter mächtigen Linse konnte ein dem Kristalltuff zumindest ähnliches Material beobachtet werden, das gegenüber dem übrigen Tuff durch höhere Festigkeit auffiel. Seine deutliche Schichtung markierte auch die ihr folgende Teilbarkeit zu plattenartig formatierten Blöcken. Ein vergleichbares Material dürfte für die frühen Bauten am Benediktinerkloster gewonnen worden sein, wenngleich seine Verfügbarkeit begrenzt war und der Kapellenberger Porphyrtuff den Bedarf an Werksteinen für das Benediktinerkloster, die Stadt Chemnitz und weiter entfernt gelegene Orte übernahm.
Die erhöhte Festigkeit des bauwürdigen Kristalltuffs hat seine Ursache, wie die Geländefunde belegen, wohl in einem Verkieselungsprozess. Verschiedene Erscheinungen, wie das Auftreten von Bandjaspisen, Dykes und Erscheinungen, könnten der beschriebenen Auszutschung mit einer beweglichen Suspension zugeschrieben werden. Ihr mit klastischen Bestandteilen versehenes natriumwasserglasähnliches Medium dürfte als Kieselsäurespender gewirkt haben (siehe diese Homepage a.a.O.). Schlussfolgernd kann man annehmen, dass abbauwürdiger Kristalltuff dort zu erwarten ist, wo auch vermehrt Silifizierungserscheinungen gefunden werden.
Westlich des Klinikums Küchwald im Crimmitschauer Wald, noch vor dem Damm der ehemaligen Industriebahn finden sich pingenartige Geländevertiefungen. Sie liegen im Bereich der Planitzer Schichten. Der Verfasser konnte selbst vor mehr als einem halben Jahrhundert noch die Tuffe anstehend als mürbes Gesteinsmaterial beobachten. Eine Werksteinqualität war nicht zu erkennen, wenn nicht in tieferen Lagen eine solche angetroffen wurde. Hier müsste auch der der Quarzporphyr angeschnitten worden sein, denn dieser wurde hier als begehrtes Hartgestein im 18. Jahrhundert für Bau und Ausbesserung der „Leipziger Chaussee“ gewonnen.
Weiter westlich wurde der Quarzporphyr-Pechstein-Körper in der Baugrube der Poliklinik Flemmingstraße angetroffen. Die Baugruben des Klinikums an der Flemmingstraße durchteuften das Pleistozän nicht bis zum Rotliegend. In Höhe des Rehabilitationszentrums für Blinde an der Flemmingstraße waren die Planitzer Schichten bei der Neubebauung in den 1960er Jahren lediglich im Bereich des Quarzporphyrs und des Pechsteins erschlossen. Die darunterliegenden Tuffe wurden nur sporadisch, der Kristalltuff gar nicht beobachtet.
Schlussbemerkung
Die Lokalsierung der Fundstellen des in der Romanik verbauten Kristalltuffs ist nach wie vor problematisch. Der vorliegende Bericht soll ein Beitrag sein, weitere Kriterien zu deren Auffindung zu liefern.
Auch wenn der „mundartliche“ Begriff „Auszutschung“ sich wenig erschließen sollte,   ist dieser so bezeichnete Vorgang diskussionswürdig. Es sei nur ansatzweise bemerkt, dass sich grüne Jaspise und Dykes an zahlreichen Stellen in unterschiedlichen Strukturen zusammen mit sauren Vulkaniten finden, dazu auch die bei Differenzierung der Schmelze entstehenden Sphärolithbildungen neben der Entstehung von grünen, teils auch roten Jaspisen. Ihre genetischen Besonderheiten zu untersuchen, insbesondere, was Herkunft und Transport der sich letztendlich absetzenden Stoffe betrifft, bleibt weiter spannend.
Bildunterschriften
Kleinstückiger Grünatuff in Höhe der Stiftskirche Ebersdorf an der B 163 angeschnitten
Grünatuff mit Linse von verfestigtem Kristalltuff in der Baugrube des Hauses 27 des Klinikums Küchwald. Die Teilbarkeit entlang der Schichtung ist gut zu erkennen.
Ebenda
Grünatuff (Kristalltuff) von Gablenz im Mauerwerk eines Wirtschaftsgebäudes an der Augustusburger Straße/Ecke Olbersdorfer Straße (abgerissen)
Verkieselte Masse, wie sie in sedimentären Dykes vorkommt, in einer Rhyolithkugel von Sailauf bei Aschaffenburg
In nahezu horizontal gelagertem Grünatuff eingepresste bzw. eingesaugte, unregelmäßig geformte Masse, wie sie in sedimentären Dykes vorkommt. Baugrube Haus 27 Klinikum Küchwald
Rhyolithkugel mit grünem Jaspis und Trockenrissstrukturen. St. Egidien
Rhyolithische „Schwarte“ mit grünem Jaspis in unregelmäßigen Hohlraumfüllungen (rechts) und halbkugelförmige Sphärolite (links). Erdmannsdorf-Augustusburg an der oberen Seilbahnstation.


  Fischer, Frank: Das Rotliegende des ostthüringisch-westsächsischen Raumes, unveröff. Diss., Bergakademie Freiberg, 1991.
Erl. zur Geologischen Specialkarte des Königreiches Sachsen, Blatt 96 (1877), S. 45.
Vgl. Gerald Urban: Chemnitzer Porphyrtuffe – Bausteine seit über 800 Jahren. In: Chemnitzer Roland 2007, Heft 2, S. 13-17.
Vgl. Geupel, Volker: Führer zu den Burgen und Wehrkirchen im Erzgebirge. Dresden 2013, S. 216.
Hoffmann, Yves: Ottendorf, darin Urban.
Jentsch, Frieder: Steine in der Stadt Chemnitz. In: Chemnitzer Roland. Teil I, 19. Jg. (2012), H. 56, S. 19-23.; Ders. Frühe Gesteinsnutzung in der Region Chemnitz – ein Forschungsansatz. In: Studien zur Geschichte von Abtei & Schloß Chemnitz. Schloßbergmuseum Chemnitz 2021, S. 42-55.
Nach Fischer: Grünatuff.
Vgl. Urban, Gerald: a.a.O.
Vgl. Loecse et.al.: Das Rotliegend von Chemnitz-Gablenz (Chemnitz-Becken, unteres Perm) In: Veröff. Museum Naturk. Chemnitz, Chemnitz 44(2021), S. 49–86.
Ebenda bestätigt.
Credner: Geologischer Führer durch das Granulitgebirge 1880, S. 79.
Haus 27, Institut für Radiologie und Neuroradiologie u.a.
Staatsarchiv Chemnitz, 32693 Karten, Zeichnungen, Bilder, Nc r. 424
Vgl. Löcze, Frank, Rößler, Ronny: Von palaeovulkanischen Bomben zu high temperature crystallization domains: Entstehung und Forschungs(G)eschichte(n) der Riesen-Achate von St. Egidien/Sachsen. Der Aufschluß, Jg. 70(2019), H. 1., S. 17-39.